Brustkrebs durch Brustimplantate - Ist das Risiko hoch?
2019-05-03

Brustimplantate und Krebs: ein echtes Risiko oder nur “Viel Lärm um Nichts”?

Experteninterview mit Dr. med. Timo Spanholtz zum Thema "Brustkrebs durch Brustimplantate"

In der letzten Zeit wurde besonders intensiv diskutiert, ob Brustimplantate Krebs auslösen können. Eine schockierende Meldung für die insgesamt 15.000 - 20.000 Frauen, die jedes Jahr alleine in Deutschland Brustimplantate erhalten. Weltweit sind in den vergangenen Jahren nun ca. 800 Fälle von einer bestimmten Krebsart dokumentiert worden, die im Zusammenhang mit den verwendeten Implantaten stehen könnten.

Seit Langem wird zwischen den Fachärzten eine Diskussion geführt, wie groß der Zusammenhang einzelner Brustimplantat-Typen mit einer bestimmten Form des Krebs wirklich ist: dem sogenannten anaplastischen großzelligen Lymphom (ALCL). Dr. Timo Spanholtz ist Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie und hat uns in einem umfassenden Interview aufgeklärt und uns die notwendigen Hintergrundinformationen geliefert. (Stand: 08.04.2019)

Als Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie sind auch Sie unter anderem auf die Brustvergrößerung mit Implantaten spezialisiert. Herr Dr. Spanholtz, wie stehen Sie zu der Debatte um die Brustimplantate, die bereits häufiger im Zusammenhang mit der Krebsart ALCL erwähnt wurden?

Im Vergleich zu den etwa 800 Fällen, die bereits weltweit im Zusammenhang mit dieser bestimmten Krebsart dokumentiert wurden, sind hingegen lediglich 12 Fälle in Deutschland bekannt. Die meisten Frauen mit ALCL nach einer Brustvergrößerung leben in den USA. Das bedeutet nicht, dass man das Thema Brustkrebs durch Brustimplantate völlig unkritisch betrachten sollte. Im Gegenteil: Wir müssen einen ganz genauen Blick auf die Daten werfen und weise für die Patientinnen entscheiden.

Konnte man bereits feststellen, welche Brustimplantate besonders von diesem Risiko betroffen sind?

Nicht alle Brustimplantate scheinen das gleiche Risiko in sich zu tragen: die betroffenen Frauen weisen überdurchschnittlich viele texturierte Implantate, also Implantate mit einer speziellen rauen Oberfläche, auf. Bei glattwandigen oder nanobeschichteten Implantaten hingegen sind bis heute deutlich weniger Fälle des ALCL beschrieben. Es kommt also sehr darauf an, welches Implantat eine Patientin hat. Deshalb bitten wir alle Patientinnen, sich darüber in ihrem Implantatpass zu informieren.

Lässt sich sagen, wie hoch das Risiko ist, am ALCL zu sterben?

Brustkrebs nach einer Brustvergrößerung ist eine Horrormeldung. Weltweit wurden bis heute 17 Todesfälle berichtet. Dies ist schrecklich, muss dennoch im Zusammenhang mit den etwa 35 Millionen Frauen gesehen werden, die Implantate tragen. Die Sterbewahrscheinlichkeit liegt berechnet also bei etwa 0,000049%. Dies ist extrem niedrig - verglichen mit anderen Sterberisiken im Leben kommen einem dann doch einige Zweifel: Rauchen von 20 Zigaretten im Monat alleine hat ein größeres Sterberisiko, ein zweitägiger Aufenthalt in New York City ebenfalls und 10 Kilometer Motorradfahren sogar ein doppelt so großes Risiko. Sie sehen also: im Verhältnis ist das Risiko gering.

Gibt es bestimmte Anzeichen, an denen Patientinnen selbst erkennen können, dass sie betroffen sein könnten?

Das ALCL fällt in erster Linie durch eine Flüssigkeitsansammlung am Brustimplantat auf. Sollte ein solches Serom später als ein Jahr nach der Brustvergrößerung auftreten ist Vorsicht geboten. Eine Entnahme der Flüssigkeit mit der entsprechenden Untersuchung kann Klarheit verschaffen. Dann sollten die Implantate (mit Kapsel!) entfernt und gegen ein risikoarmes, neues Brustimplantat ausgetauscht werden.

Angenommen, eine Patientin stellt fest, dass für ihre Brustvergrößerung ein risikobehaftetes Brustimplantat verwendet wurde - wäre es dann sinnvoll, das Implantat präventiv auszutauschen?

Wenn bei einer Brustvergrößerung mit einem der Risiko-Implantate gearbeitet wurde, erscheint ein Brustimplantatwechsel oftmals als die einfachste Lösung. Allerdings gilt es zu bedenken, dass das Risiko eines Narkosezwischenfalls 10 Mal größer ist, als das an einem ALCL zu erkranken. Damit ist der Implantatwechsel statistisch gesehen 10 Mal gefährlicher, als das Implantat zu behalten. Das zweite Argument gegen den Wechsel: keine deutsche Behörde empfiehlt den Wechsel zum heutigen Tage. Um eine unbegründete Panikmache zu vermeiden, sollen weitere Daten erhoben werden, bevor eine solche Empfehlung ausgesprochen wird. In jedem Fall sollten die Patientinnen sich aber ärztlich vorstellen, sofern sie einen Erguss um das Implantat vermuten. Ein panischer Wechsel mit allen Nachteilen birgt größere Risiken als eine engmaschige Beobachtung und körperliche Kontrolle. Die Deutsche Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie (DGPRÄC) hat zunächst davon abgeraten, einen Wechsel in Betracht zu ziehen. Auch das Bundesgesundheitsministerium vertritt diesen Standpunkt, genau wie das BfArM, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Können Sie unseren Leserinnen zuletzt mit auf den Weg geben, welches für Sie das beste Brustimplantat ausmacht oder welche Kriterien es bei der Auswahl zu beachten gibt?

In meiner Arbeit in der Praxisklinik am Rosengarten verwende ich natürlich nur die Brustimplantate mit dem geringsten Risiko. Nach wie vor verwenden wir dennoch keine glatten Implantate, da diese zahlreiche andere Risiken aufweisen. Dennoch haben die Brustimplantate mit Nanobeschichtungen die Verwendung von Makrobeschichtungen in Frage gestellt und es gibt durchaus ein Szenario, in welchem wir eine Verwendung von Makrobeschichtungen sehr kritisch sehen. Alle Makrobeschichtungen haben wir deshalb aus unserem Sortiment genommen, so dass wir jetzt nur noch mit den Implantaten mit geringstem Risiko arbeiten. Darauf sollten auch Patientinnen, die über eine Brustvergrößerung mit Implantaten nachdenken, Wert legen.